Am Bio-Symposium befassten sich die rund 150 Teilnehmende mit dem Thema «Von der Nische zum Mainstream: Strategien für mehr Bio». Referentinnen und Referenten zeigten sich optimistisch, blickten auf das Erreichte zurück, warnten aber gleichzeitig davor, in Selbstzufriedenheit zu verfallen, es gebe nämlich noch viel zu tun. Einer der Schwachpunkte bleibt der stagnierende Absatz im Gastrobereich.
Mit Freude eröffnete Moderatorin Daniela Lager das Bio-Symposium und gewann die Zuhörerschaft vom ersten Moment an. Sie forderte die Anwesenden dazu auf, die gemeinsame Präsenz aktiv zu nutzen: zum Vernetzen, zum Austauschen und um eigene Ideen «wie eine Knospe zum Blühen zu bringen».
Luzerner Aktionsplan Biolandbau
Zum Auftakt stellte André Liner vom Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung (BBZN) den Luzerner Aktionsplan Biolandbau vor ein gemeinsames Projekt von BBZN, Dienststelle Landwirtschaft und Wald (lawa), Bio Luzern und Bäuerinnen- und Bauernverband Kanton Luzern.
Der Kanton Luzern bewirtschaftet heute gut 12 Prozent seiner landwirtschaftlichen Fläche biologisch. Bis 2027 soll dieser Anteil auf 15 Prozent steigen. Gleichzeitig will der Aktionsplan die Wertschöpfung um 4 Prozent erhöhen und 40 Gastronomiebetriebe für das Label Bio Cuisine gewinnen. Öffentliche Kantinen/Restaurants des Kantons sollen dabei eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie einen Bioanteil von mindestens 20 Prozent anstreben. Insgesamt umfasst der Aktionsplan 20 Massnahmen in sechs Handlungsfeldern.
«Ist Bio noch die richtige Antwort?»
Mit dieser Frage stellte Felix Prinz zu Löwenstein, Biolandwirt und langjähriger Präsident des deutschen Bio-Dachverbands BÖLW, das agrarpolitische Leitmotiv in den Raum. Ohne Umschweife konfrontierte er das Publikum mit der Tatsache, dass die Menschheit bereits in fünf Bereichen die planetaren Grenzen überschritten habe und die Landwirtschaft daran grossen Anteil trage.
In einem bildstarken Vortrag von eutrophierten Gewässern über verschwundene Obstgärten bis zur Biodiversitätskrise machte er deutlich: «Wir müssen unser landwirtschaftliches Produktionssystem grundlegend umbauen, um nicht die eigenen Produktionsvoraussetzungen zu zerstören.» Die Landwirtschaft müsse sich dabei stärker an natürlichen Funktionsprinzipien orientieren.
Für Löwenstein steht fest: Die Biobranche müsse Motor der Veränderung sein. «Nicht, weil wir klüger oder moralisch besser wären, sondern weil uns unsere Beschränkungen (z. B. kein Einsatz von Pestiziden) dazu zwingen, Wege zu finden, die anderen gar nicht einfallen.» Diese Kompetenz sei der besondere Wert des Biolandbaus.
Kritik aus der Wissenschaft
Gerold Rahmann, Leiter der Biolandbau-Abteilung des deutschen Thünen-Instituts, nahm die Branche kritischer in die Pflicht. Bio stehe im Wettbewerb mit vielen Lebensstilen und Konsumgewohnheiten. Zwar könne die Bewegung stolz auf ihre Entwicklung sein – ausruhen sei jedoch keine Option.
Rahmanns nüchterne Bilanz: Trotz einer Milliarde Euro Bio-Forschungsinvestitionen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren sei man «nicht besonders weit gekommen». Die ökologische Landwirtschaft sei zu langsam, um die grossen Herausforderungen zu lösen.
So bezifferten Untersuchungen die Umweltkosten der deutschen Landwirtschaft auf rund 6000 Euro pro Hektare und Jahr – bei Bio seien es mit 5200 Euro kaum weniger. Eine Metastudie mit 11 000 Forschungsarbeiten zeige zudem: In Sachen Umwelt und Tierwohl schneidet Bio nur in 58 bzw. 35 Prozent der Fälle besser ab. Und auch bei der Milchproduktion liege der CO₂-Ausstoss pro Kilogramm Milch auf konventionellem Niveau. Hinzu komme: Nur 77 Prozent der getesteten Bioprodukte seien pestizidfrei.
Mit diesen Ergebnissen entliess Rahmann die sichtlich nachdenkliche Zuhörerschaft in die Mittagspause.
Blockaden in Gastronomie und Detailhandel
Bereits vor Rahmann hatten Susanne Morach (Fourchette verte) und BBZN-Rektor Renato Isella betont, wie schwer sich die Gemeinschaftsgastronomie damit tut, den Bioanteil in Menüs zu erhöhen. Auch im Detailhandel bleibt das Potenzial herausfordernd.
Marketing-Professorin Johanna Gollnhofer zeigte in ihrem Vortrag, wie wichtig ein neues Denken sei. Denn: Rund 60 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten gelten als unentschlossen – weder Bio-Fans noch Bio-Muffel. Genau diese Gruppe sei entscheidend für weiteres Wachstum.
Ihr Rat: «Don’t call it nachhaltig.» Begriffe wie Nachhaltigkeit oder vegan hätten in dieser Gruppe ein Imageproblem. Stattdessen solle man Produkte über Attribute wie «lecker», «köstlich» oder «ansprechend» vermarkten. Für den Massenmarkt brauche es ein Reframing – weg vom gesellschaftlichen Nutzen, hin zum persönlichen Vorteil, etwa Gesundheit.
Workshops und Ausblick
Das Symposium bot Raum für Austausch, Diskussionen und neue Perspektiven. In Workshops zu Politik, Wissenschaft und «Bio für die 60 Prozent» konnten Teilnehmende eigene Ideen einbringen.
Gelöst wurde an diesem Tag zwar keines der grossen Probleme. Doch es wurden Wege aufgezeigt, wie sich der Biolandbau weiterentwickeln könnte – individuell, differenziert und je nach Produkt sehr unterschiedlich. Manche werden Nischenprodukte bleiben, andere wie Bioeier oder verschiedene Gemüsesorten wachsen erfolgreich darüber hinaus.
Programm-Flyer
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